Was ich tun will, wenn ich in den Bundestag einziehe (und was, wenn nicht).
Wenn ich in den Bundestag einziehe…
Die Wahl steht kurz bevor. Das BSW wird morgen in den Bundestag einziehen, ob es für mich reicht, weiß ich nicht. Damit ich aber im Fall der Fälle mit gut genordetem Kompass nach Berlin gehe, hier meine Ziele – auch damit man mich später an ihnen messen kann.
1. Für wen ich Politik mache
Mein Ziel ist es nicht, für eine bestimmte Gruppe auf Kosten einer anderen Politik zu machen. Ich strebe eine Gesellschaft an, in der möglichst viele Menschen an den Prozessen beteiligt sind, die unser Zusammenleben gestalten – politisch wie zivilgesellschaftlich. Diese Befähigung der Menschen zu einem selbstbestimmten Miteinander ist mein politischer Nordstern. Wenn mein Handeln dazu führt, dass eine informierte Gesellschaft mit großer Autonomie eine Entscheidung trifft, die mir nicht passt, dann ist mein Ziel dennoch erreicht. Von diesem Grundsatz werde ich nur abweichen, wenn ein höheres Gut entgegensteht – etwa der Schutz der Existenz von Minderheiten. Meine Vision ist keine bestimmte Zukunft, sondern eine selbstbestimmte Gesellschaft.
Ich mache Politik für Menschen, nicht gegen Menschen. Für ein gutes Zusammenleben, nicht gegen Rechts. Für einen starken Osten, nicht gegen den Westen. Für Arbeitnehmer und sozial Schwache, nicht gegen Arbeitgeber und Wohlhabende. Tragfähige Lösungen entstehen nur, wenn alle Interessen mitgedacht werden.
2. Wie ich Politik mache
Ich glaube sowohl an einen Bildungsauftrag der Politik als auch an die Pflicht der Politik, sich belehren zu lassen. Beide Aspekte werden oft missverstanden.
Politiker haben Einblicke in Prozesse, die das Leben der Bevölkerung maßgeblich beeinflussen. Deshalb ist es ihre Aufgabe, die Menschen so transparent wie möglich zu informieren – und zwar auf eine Weise, die verständlich und nutzbar ist, ohne bevormundend zu wirken. Sie sollten über Modelle und Theorien nachdenken, die größtmögliche Partizipation ermöglichen. Ihre Entscheidungen müssen offen und nachvollziehbar sein, auch wenn sie unliebsam sind. Probleme, besonders selbstverschuldete, müssen proaktiv benannt werden.
Politik muss zuhören: Die Bevölkerung kann uns auf Probleme hinweisen – gerade auch auf solche, die uns nicht passen oder aus unserer eigenen Politik resultieren. Unsere Aufgabe ist es, Lösungen zu entwickeln. Die Bevölkerung bezahlt uns nicht dafür, bestehende, womöglich populäre Antworten zu wiederholen, die aber unwirksam, unausgewogen oder nicht umsetzbar sind.
Politik lebt vom Kompromiss. 100 % moralische Reinheit sind kaum erreichbar. Wo aber liegt die rote Linie? Ich entscheide das anhand der Interessen, die eine Entscheidung motivieren. Dient ein schwieriger Kompromiss dazu, überhaupt etwas zu bewirken? Überwiegt der strategische Vorteil die Bedenken? Dabei darf es niemals um persönliche Positionen oder Vorteile gehen, sondern immer um Inhalte. Ich nehme in Kauf, mich unbeliebt zu machen, meine Karriere zu gefährden oder Beziehungen zu beschädigen, wenn ich überzeugt bin, dass ich widersprechen muss. Mein erster Weg wird stets der des Dialogs sein, doch im Zweifel werde ich öffentlich für meine Überzeugungen eintreten.
Fehlentscheidungen sind unvermeidlich. Ich werde für meine Fehler gerade stehen und versuchen, den Schaden zu begrenzen – wohl wissend, dass das nicht immer möglich ist. Wenn eine Entscheidung zu meinem persönlichen Vorteil gereicht, werde ich sie besonders gründlich hinterfragen.
Um etwas zu erreichen, braucht es Zusammenarbeit. Für vertrauensvolle Zusammenarbeit braucht es Respekt und eine gute Debattenkultur. Ich verpflichte mich, allen politischen Lagern mit Respekt zu begegnen, ihre Argumente ernsthaft anzuhören und Zusammenarbeit zu ermöglichen – ohne ideologische Scheuklappen. Ich erwarte diesen Umgang auch von meinen Kollegen in der Politik, denn sie sollten der Bevölkerung ein Vorbild sein.
3. Berlin – Wittenberg – Halle
Ich will nach Berlin für die kleinen Städte in Sachsen-Anhalt: Wittenberg, Dessau, Köthen, Bitterfeld, Zerbst, Jessen… Politik für den ländlichen Raum ist schwieriger als für die Großstadt – aber auch lohnender und notwendiger. Hier leben Menschen, deren Anliegen oft übersehen werden. Hier verwaisen Innenstädte, schließen Theater und Cafés, werden Buslinien gestrichen, wandern junge Menschen ab. Hier will ich arbeiten. Nach einem Jahr soll jeder in Wittenberg und Dessau wissen, was das BSW für ihn tut; nach zwei Jahren jeder im Osten von Sachsen-Anhalt. Gleichzeitig will ich in Halle Synergien mit der Universität nutzen, denn auch das gehört zu meiner Biografie.
Ich will mit den Menschen sprechen: mit Wissenschaftlern und Arbeitslosen, mit Handwerkern und Industriellen, mit Kellnern und Studierenden, mit Migranten und Rentnern. Ich will, dass Ost-Sachsen-Anhalt die politisch informierteste Bevölkerung der Republik hat.
Ich will lebendige Innenstädte, einen wachsenden Mittelstand, gute Löhne, eine blühende Kulturlandschaft, Rückkehrer aus dem Westen, gute Schulen, Vereine, eine kritische, gut informierte Öffentlichkeit. Gesunde Wälder, gesundes Essen, eine gesunde Gesellschaft. Migranten, die sich als Teil dieser Gesellschaft verstehen. Familien, junge Paare, Rentner und Kleinkinder, die gemeinsam grillen und Dorffeste organisieren. Ich will Lesegruppen in Kleinstädten. Ich will Gemeinschaft, Ehrlichkeit, Leben.
… und wenn nicht?
Dann will ich dasselbe. Es wird nur schwieriger.